Im Mittelalter
aß man selbst in der vornehmen Gesellschaft mit den Fingern, teilte sich
mit seinem Nachbarn oder seiner Nachbarin zuweilen den Löffel und das
Trinkgefäß und bediente sich seiner Hände, um wie die anderen Gäste die
Fleischstücke aus der gemeinsamen Schüssel oder aus dem großen Topf zu
"fischen". Dadurch waren allein schon aus hygienischen Gründen bestimmte
Verhaltensmaßregeln beim gemeinsamen Mahl erforderlich.
Zuerst einmal mußte man sicher sein, daß alle Teilnehmer saubere Hände
besaßen. Deshalb wurde das "öffentliche Handwaschen" eingeführt. So hatten
Diener vor Beginn jeder Mahlzeit Wasserkannen, Handbecken und Handtücher
bereitzustellen. Nach dem gemeinsamen Essen erschienen sie ein zweites
Mal, damit sich die Gäste ihre Hände erneut säubern konnten. Und dann gab
es noch die Tischsittenregeln, die um 1200 zuerst im adligen Kreis, später
jedoch auch von den Bürgern und von den Bauern beherzigt wurden. Sie
schrieben z.B. folgendes vor:
"Keine langen Fingernägel, weil sie Krätze verursachen. Halte den Platz
vor dir sauber und wirf keine Abfälle unter den Tisch. Schneuz dich nicht
zu laut, und wenn du schneuzen mußt, dann tue es nicht mit der Hand, die
das Fleisch anfaßt. Bei Tisch kratzt man sich nicht und spuckt nicht über
den Tisch. Säubere deine Zähne nicht mit der Messerspitze. Tu Salz auf
deine eigene Brotscheibe und tunke nicht das Fleisch ins Salzfaß. Wenn du
Brot in den Wein tauchst, trinke den Wein ganz aus oder gieß den Rest auf
die Erde. Leg nicht die Ellenbogen auf den Tisch, wie es die reichen Leute
tun. Die Hand, mit der du das Fleisch aus der gemeinsamen Schüssel nimmst,
sei nicht fettig oder schmutzig. Es ist wenig schicklich, sich die Finger
abzulecken. Nage nicht die Knochen mit den Zähnen ab oder mit den
Fingernägeln. Aber du darfst sie mit dem Messer abkratzen. Alles was sich
an Abfall ansammelt (Brotkrusten, Käserinden, Obstschalen, Knochen), leg
in einen hierfür bestimmten Korb oder eine Schale, oder wirf die Knochen
unter den Tisch, aber nahe an deine Füße und ohne jemanden zu verletzen."
(in: Günther Schiedlausky, ebenda, S. 10)
Aber nicht alles wurde klar und eindeutig geregelt. Wie ging man z.B. vor,
wenn man das gemeinsame Trinkgefäß benutzen wollte, aber einen fettigen
Mund hatte? Taschentücher und Servietten gab es erst im 14./15. Jh.!
Einige Tischregeln schlugen in solchen Situationen vor, sich des breiten,
überhängenden Tischtuches zu bedienen. Nur die Augen und Zähne sollte man
sich damit bitte nicht reinigen - und auch nicht hineinschneuzen! Andere
Tischregeln verboten wiederum eben Gesagtes und forderten zum "Wisch den
Mund mit deiner Hand ab!" auf.
Ja, und was machte man, wenn man unter starkem Schnupfen litt und
Taschentücher nicht vorhanden waren? Ins Tischtuch schneuzen war verboten!
Genau, da blieb nur noch die Kleidung! Und die benutzten die
mittelalterlichen Menschen auch reichlich, um ihre fettigen Finger oder
den schmutzigen Mund zu säubern oder die Nase vom Schnupfen zu befreien.
Erst im 15. Jh. wurden die Servietten, die in der Antike schon verwendet
worden waren, wiederentdeckt.
"Die Etikette schrieb vor, das
Mundtuch entweder über die Schulter oder dem linken Arm zu tragen. Bei
höfischen Tafeleien mit äußerst verfeinerten Sitten kam es vor, daß die
Servietten parfümiert und vorgewärmt waren, und daß sie nach jedem Gang,
wie manchmal sogar die Tischtücher, ausgewechselt wurden"
(in: Günther Schiedlausky, ebenda, S. 20)
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